map the gap

Es bewegt sich was in Zetel

Jugendliche gestalten eine digitale Schnitzeljagd zum Thema Diskriminierung und Vielfalt. Nach zwei Workshop-Wochenenden steigen sie in die Diskussion mit Politik ein. Die Gemeinde macht konkrete Zugeständnisse.

Geschafft! Zwölf Jugendliche aus Zetel, Bockhorn, Varel und Jever haben am vergangenen Wochenende eine zirka fünf Kilometer lange GPS-Schatzsuche zum Thema Diskriminierung und Vielfalt in Zetel fertiggestellt.
Ab Dezember, wenn alle Fehler ausgemerzt sind, ist die Zetelroute als erste Tour im ländlichen Raum über die Map-the-gap-App des Landesjugendrings verfügbar. Start- und Zielort ist der Jugendtreff Steps in Zetel, der das Projekt gemeinsam mit der Onlinezeitung FRI News der Oldenburgischen Landschaft nach Friesland geholt hat.
2017 initiiert von der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung, dem Zentrum demokratische Bildung und dem Landesjugendring gibt es aktuell in 15 Städten Niedersachsens Map-the-gap-Touren. Für den ländlichen Raum haben die Aktiven um Nora Hippchen vom Landesjugendring jetzt ein ganz eigenes Konzept entworfen, das in Zetel erstmals zum Einsatz kam.
In zwei Workshop-Wochenenden haben sich die teilnehmenden Jugendlichen intensiv mit dem Thema gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, also die Diskriminierung von Menschen, weil sie einer bestimmten Gruppe zugerechnet werden, in ihrer Umgebung auseinandergesetzt. Am Ende stand ein ganzer Forderungskatalog mit Wünschen und Anregungen, die Bernd Hoinke als allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters am Sonntag dankbar entgegennahm.

Flagge zeigen gegen die Reichskriegsfahne

So störten sich die Jugendlichen etwa an der Reichskriegsflagge, die in unmittelbarer Nachbarschaft zur Integrierten Gesamtschule in einem Privatgarten gehisst ist. Sie regten an, Flagge zurück zu zeigen und etwa den EWE-Stromkasten direkt gegenüber als Zeichen für Toleranz in den Regenbogenfarben zu bemalen. „Eine tolle Idee“, fand Hoinke.

„Ein Denkmal ist kein Denkmal, wenn es dort kein Leben gibt“

Am Denkmal zum Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt im Friedensgarten fehle es an Sitzgelegenheiten, so die Jugendlichen. Hoinke erinnerte sich, dass der Ort einmal ein Treffpunkt für junge Leute war und dass genau das irgendwann nicht mehr gewünscht war. Aber: „Ein Denkmal ist kein Denkmal, wenn es dort kein Leben gibt“, erklärte der Verwaltungsbeamte und lud die Jugendlichen ein, über das Jugendparlament einen Plan einzubringen, wo die jungen Leute sich Bänke wünschen. Denn immerhin sei die Gemeinde gerade dabei, alte Holzbänke gegen pflegeleichtere Sitzgelegenheiten aus Drahtgestell auszutauschen. Der Zeitpunkt ist also günstig.

In Sachen Mobilität nicht abspeisen lassen

Ähnliches gelte für den Wunsch nach einer besseren Busanbindung. „Am Sonntag habe ich keine Möglichkeit, von Varel aus zu meinen Freundinnen nach Zetel und Neuenburg zu kommen“, beklagt die 14-jährige Clairia. Jonas schlug vor, Taxen einzusetzen, die Jugendliche mit ihrer Busfahrkarte nutzen könnten. Doch Bernd Hoinke musste auf den Landkreis als zuständige Behörde verweisen. „Dort sind wir als Jugendparlament mit dem Thema Mobilität nicht weitergekommen“, bedauerte Lea. Auch Jannick brachte seinen Frust zum Ausdruck: „Man wird schnell abgespeist.“ Hoinke riet den Jugendlichen, sich nicht abspeisen zu lassen. „Der Landkreis arbeitet an einem Konzept. Stellt einen schriftlichen Antrag an die Gemeinde: Wir wollen informiert werden!“ Darüber hinaus brachte er die Mitfahrerbank ins Gespräch. „Fast alle sind bereit, junge Leute mitzunehmen“, ist Hoinke überzeugt. „Wir könnten mit der Strecke Zetel-Neuenburg anfangen und das Konzept dann weiter bis nach Varel ausbauen.“

Hankenhof „schreit nach mehr Veranstaltungen“

Unterstützung signalisierte er auch bei dem Wunsch der Jugendlichen nach mehr Veranstaltungen für ihre Altersgruppe: „Ladet unseren Kulturkoordinator Iko Chmielewski ins Steps ein und organisiert selbst etwas. Wir stellen euch den Hankenhof zur Verfügung. Der schreit nach mehr Veranstaltungen.“ Denkbar wäre zum Beispiel ein Benefizkonzert gegen Diskriminierung, regt Cedric an. 

Rücksicht auf Kinder beim Zeteler Markt

In Sachen Zeteler Markt haben Jugendliche eine ganz eigene Perspektive. „Wir wünschen uns mehr Rücksicht auf Kinder“, sagt die 14-jährige Sham. Und Jannick ergänzt: „Wer am Mittwoch auf dem Weg zur Schule in Zetel umsteigen muss, trifft auf Müll und Betrunkene.“ Für Bernd Hoinke eine ganz neue Perspektive: „Denjenigen, die darüber entscheiden, ist das noch nicht aufgefallen. Die feiern selbst.“ In Zukunft könnte die Verkehrsführung über Bohlenberge laufen.

Zusätzliche Überdachung am ZOB kommt im November

Müll und verschmutzte Toiletten monierten die Jugendlichen auch am ZOB. „Das geht überhaupt nicht. Ich werde mich darum kümmern“, versprach Hoinke. In Sachen Überdachung ist bereits eine Lösung in Sicht. Clairia erklärte, es gebe zu wenig Unterstellgelegenheiten: „Lieber stehe ich im Regen, als dass ich mich zu den Rauchern stellen muss.“ Für seine Ankündigung – „nach dem Zeteler Markt wird der neue ZOB aufgebaut“ – erntete Hoinke lautstarken Beifall.

Aufwandsentschädigung für Praktikanten

Den gab es auch für die Zusage an die Langzeitpraktikanten im Steps, die sich eine regelmäßige finanzielle Unterstützung wünschen. „Damit wir uns auch mal etwas leisten können“, erklärte Sven. „Da machen wir etwas. Das sage ich euch jetzt schon zu. Im Rathaus gibt es das, nicht regelmäßig, aber ab und zu mal 200 Euro. Ihr leistet gute Dienste, dafür sollte es auch eine Anerkennung geben“, befand Hoinke.

IGS muss attraktiver werden

Größter und schwierigsten Kritikpunkt bleibt wohl die IGS: Viele Kinder und Jugendliche hätten Vorurteile gegenüber homosexuellen Mitschülerinnen und Mitschülern. In Fällen von Ausgrenzung und Mobbing fühlten sich Betroffene durch Lehrkräfte und Schulsozialarbeit nicht ausreichend geschützt
Für das Jugendparlament lädt Jannick zum Dialog ein: „Ich bin überrascht, wie viele Themen ihr habt. Wir sitzen mit der Gemeinde an einem Tisch. Kommt zu uns. Wir kümmern uns darum, dass eure Sachen klappen.“

Es gibt auch ganz simple Probleme von der Schulhofgestaltung bis zum Mensaessen. „Draußen sind zu wenig Spielgeräte und im Winter ist die Aula überfüllt. Außerdem fehlt es dort an Sitzgelegenheiten“, beobachtet Jonas. Bernd Hoinke empfahl, im Wahlkampf für die Landratswahl 2019 die Kandidaten in die Pflicht zu nehmen. Immerhin sei der Landkreis Schulträger. Und: „Keiner kann sich zurücknehmen und sagen, es ist kein Geld da. Man kann auch Sponsoring durch Unternehmen betreiben. Das ist eure Schule!“ Er verwies auf das Beispiel der Grundschule Zetel, wo Schüler und Eltern gemeinsam mit der Schulleitung einen Arbeitskreis gegründet und damit viel für die Schulhofgestaltung erreicht hätten.
Das Essen in der Schulmensa ist nach Einschätzung der Jugendlichen „ungesund, überteuert“ und die Portionen zudem nicht ausreichend. „Dagegen muss man sich wehren“, pflichtete Hoinke ihnen bei. Von der Kritik habe er schon oft gehört. „Schule ist kein Ort für irgendjemanden, um damit Geld zu verdienen. Schule ist ein Ort zum Lernen und sich Wohlfühlen. Kommt ins Rathaus. Wir machen uns für euch stark. Wenn ihr nicht gehört werdet, müsst ihr den Protest verstärken“, betonte Hoinke. Lena regte an, es zu handhaben wie an der Pestalozzischule in Varel. Dort gibt es seit 2011 eine Schülergenossenschaft. Die Jugendlichen kochen selbst und streichen Brötchen. „Das Essen ist lecker und kostet nur halb so viel wie in Zetel“, beobachtet Lena.
Bernd Hoinke ermunterte die Jugendlichen, weiterhin Missstände anzusprechen und Lösungen zu erarbeiten: „Gute Ideen könnt ihr umsetzen. Das Mittel ist das Jugendparlament. Das ist das Instrument, mit dem ihr eine Menge bewegen könnt!“

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