von Jannes Wiesner
0

Meinung

Unser Zusammenleben der Toleranz und Solidarität

Jannes Wiesner, mit 17 Jahren jüngstes Vorstandsmitglied im SPD-Ortsverein Wangerland und außerdem im überparteilichen Kreisjugendparlament Friesland engagiert, diskutierte in Berlin mit Bundestagsabgeordneten und Ehrenamtlichen über das Thema Jugend und Politik. Seine Eindrücke fasst er in einem Kommentar zusammen.

Gutmenschen, Volksverräter oder Bahnhofsklatscher sind nur einige Beleidigungen, die in der politischen Debatte der letzten Monate und Jahre gefallen sind. Auf der einen Seite eine Union, die sich einen öffentlichen und zutiefst primitiven Schlagabtausch über Scheinkompromisse in der Asylfrage liefert und auf der anderen Seite Menschenfeinde, die unter dem Vorwand der Ängste besorgter Bürger das Sterben und Ertrinken von Menschen auf dem Mittelmeer bejubeln. Steht es um unsere Gesellschaft wirklich so schlimm, haben wir die europäischen Werte der Humanität vergessen und den politischen Streit verlernt? 

In der Diskussion bleiben

Gerade bei den Themen der Toleranz, Wertevielfalt und Akzeptanz sind emotional aufgeladene Debatten völlig verständlich. Es geht nicht um die nüchterne Betrachtung politischer Ansätze, sondern um die Frage, wie wir unser Zusammenleben gestalten wollen, welche Werte in unserer Gesellschaft Vorrang haben sollen und wie wir uns und unsere Heimat definieren. Der größte Fehler, der bei einer solchen Grundsatzdebatte gemacht werden kann, besteht darin, die Wertevorstellungen des Gegenübers nicht zu verstehen und Bedenken mit Gleichgültigkeit abzustempeln. Es ist niemals einfach, die bloße Ignoranz abzulegen und Toleranz auszuleben.

Werben für Toleranz und Solidarität

Um Impulse für mein kommunalpolitisches Engagement sowie für die interreligiöse und kulturelle Verständigung zu sammeln, suchte ich daher sowohl den Austausch mit politischen Entscheidungsträgern wie den Bundestagsabgeordneten Falko Mohrs und Lars Castellucci (beide SPD), als auch das Gespräch mit Ehrenamtlichen in Berlin. Eben diese Verknüpfung von Politik und Gesellschaft, sowie die lokale Stärkung und Unterstützung von Ehrenamtlichen und Engagierten stellt für mich eine absolute Notwendigkeit dar. Gemeinschaft entsteht immer auf der untersten Ebene, im lokalen durch freiwilliges Engagement, Nachbarschaftshilfe oder durch ein aktives Vereinsleben, genau auf dieser Ebene ist auch das Entstehen von Toleranz und Solidarität anzusiedeln.

Integration beginnt im Lokalen

Wenn wir also über die hochemotional geführte Debatte der Integration von Menschen, die dieses Land ihre Heimat nennen möchten, sprechen wollen, dann müssen wir auf der kommunalem Ebene ansetzen und gescheiterte Integrationsprozesse der Vergangenheit betrachten. Es wäre naiv und schlicht falsch zu behaupten, die Integration der Migranten stelle keine enorme Herausforderung für Deutschland und jeden Einzelnen dar. Ein überforderter Verwaltungsapparat, der unkontrollierte und ungeregelte Zustrom von Migranten im Jahre 2015, sowie eine Europäische Union, die sich selbst in ihren Grundwerten der Humanität und gegenseitigen Solidarität uneins ist, sind dafür ein Paradebeispiel. Trotzdem müssen wir verstehen, dass die Integration dieser Menschen unumgänglich ist und neben den Risiken eben auch große Chancen mit sich bringt.

Berlin – ein Ort der Vielfalt?

Gerade die Vielzahl der Kulturen einer globalisierten Welt, der Integrationswille vieler junger Menschen, die sich eine Existenz in Deutschland aufbauen wollen und die unglaubliche Hilfsbereitschaft Tausender stellen genau diese Chancen und Perspektiven für die gesamte Gesellschaft dar. Eine Weltstadt wie Berlin verkörpert eben diese Werte der Vielfalt. Jeder wird akzeptiert, wie er ist, ob alt oder jung, christlich oder muslimisch, heterosexuell oder schwul. Wenn man die einzigen schiefen Blicke für das tägliche Moin erntet, kann sich eine Stadt durchaus als vielfältig und tolerant bezeichnen.
Doch auch am Berliner Beispiel zeigen sich die Risiken einer verfehlten Integration, die es zu überwinden gilt; die Bildung von Parallelgesellschaften und eine hohe Kriminalität begründen die Ängste und Skepsis vieler Menschen. Antisemitische Taten gegenüber Menschen, die lediglich die Freiheit ihrer Religion ausleben wollen, sind längst wieder zur Realität geworden.

Aus Fehlern lernen

Nur wenn wir diese Problem erkennen, die Versäumnisse der Politik offen einräumen, einen vorhandenen Integrationswillen nicht nur als Möglichkeit, sondern als Pflicht ansehen und die Akzeptanz unserer Grundwerte von Freiheit und Gleichheit fordern, kann es uns gelingen, realistische Perspektiven für Integration und eine vielfältige Gesellschaft aufzuzeigen. Auch wenn es uns schwer fällt und auch mir nicht immer gelingt, müssen wir diesen Herausforderungen frei von ideologisch linken oder rechten Denkweisen entgegentreten, weder das eine noch das andere Extrem werden uns Lösungen in der Migrationspolitik bieten können. Es liegt an der Politik, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen, eine schonungslose Analyse der Versäumnisse vorzunehmen und einen Dialog auch mit denen zu starten, die den Themen der Vielfalt und Integration verschlossen gegenüberstehen. Wenn wir bereits heute den gleichen Fehlern der Vergangenheit entgegentreten wollen, müssen wir bereits jetzt die Weichen dafür stellen.

Gesellschaft aktiv mitgestalten

Wir als junge Menschen müssen auf unser Recht bestehen, in der Politik ernst genommen zu werden. Uns muss die Möglichkeit geboten werden, aktiv in der Politik mitzuwirken und für unsere Ideale zu kämpfen. Solange das nicht geschieht und jungen Menschen weiterhin allzu oft die politische Teilhabe verwehrt wird, werden wir das Problem der Politikverdrossenheit und das Gefühl des Nicht-verstanden- oder Ernstgenommen-Werdens nicht überwinden. Seid mutig, steht zu euren Idealen und steht für euer Miteinander, denn Vielfalt und Tradition grenzen sich niemals gegenseitig aus. Ich bin Friese, Deutscher und Europäer. Was macht euch aus? Und vor allem, was soll unsere Gesellschaft auch in Zukunft ausmachen? Das ist die Frage, die wir uns alle einmal stellen sollten.

Zurück

Einen Kommentar schreiben

Schreibe einen Kommentar

Ein Projekt der oldenburgischen Landschaft, gefördert durch: