von Vanessa Hülsmann, Céline Engicht, Patricia Pieper, Melissa Deibert
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Gewaltfreies Hundetraining - "Charly" auf den Weg in ein neues Leben

Mit gewaltfreiem Training aus dem Tierheim in ein neues Leben, in Begleitung der Hundetrainerin Dena Rau.

Gewaltfreies Hundetraining - "Charly" auf dem Weg in ein neues Leben

Es ist der 28. Mai 2016. Ein Mann besucht mit seiner Tochter ein Tierheim an der Nordseeküste. Eigentlich sind sie nur dort, um Futterspenden abzugeben, doch es zieht sie zu den Hundezwingern. In fast jedem sitzt mindestens ein Hund. Viele von ihnen bellen und sind aufgeregt, andere sitzen einfach nur da. In einem der hinteren Zwinger sitzt "Charly", ein vierjähriger Australian Cattle Dog. Die beiden Besucher schließen ihn sofort in ihre Herzen, doch es müssen auch die anderen Familienmitglieder einverstanden sein. Es gibt da auch noch "Ace", den anderen Hund der Familie. Wird dieser sich mit "Charly" verstehen?

Vater und Tochter klären mit dem Rest der Familie, ob sie es mit "Charly" versuchen sollen. Kurz darauf findet das erste Treffen mit dem neuen Hund außerhalb des Tierheimzwingers statt, noch ohne "Ace". Mit dabei ist Hundetrainerin Dena Rau, die "Charly" schon seit einigen Wochen kennt. "Charly", ein Hund, der bei Begegnungen mit Artgenossen, Radfahrern, Joggern und anderen Lebewesen, schnell zu einem kleinen "Monster" mutiert. Er kennt es halt nicht anders. Trotz all dem, die Familie will es mit ihm versuchen.

Beim nächsten Treffen gibt es zwischen "Charly" und "Ace" zunächst nur Sichtkontakt. Die beiden Hunde dürfen einander  auf Entfernung riechen, erst später kommt es zur ersten Begegnung ohne Leine auf dem Platz. Von heute auf morgen gibt die Hundetrainerin das "GO". "Charly" darf umziehen. Einen Tag vor dem geplanten Umzug besucht Dena Rau mit "Charly" die Familie. Der Hund erkundet die Wohnung. Die Trainerin gibt den neuen Besitzern noch ein paar Tipps mit auf den Weg: Hunde immer getrennt füttern und ausreichend Platz zwischen den Schlafplätzen einhalten.

 Die Familie stellt schnell fest, dass Sie ohne einen Experten an  der Seite nicht weit kommen würde. "Charlys" Verhaltensauffälligkeiten sind massiv und müssen gelöst werden. Aber welche Trainerin ist die richtige? Nach kurzen Überlegungen sind sich alle einig. Dena Rau kennt "Charly" schließlich schon aus dem Tierheim.

Die Trainerin ist durch die Tierärztekammer Niedersachsen zertifiziert und arbeitet im Umkreis von Wittmund. Dort leitet sie ihre eigene Hundeschule "Dog´s time", sowie eine kleine Hundepension. Ihr Spezialgebiet ist das gewaltfreie Hundetraining.

Aber wo fängt die Gewalt am Hund eigentlich an? Dena Rau erklärt: "Gewalt fängt bereits beim Leinenruck während des Spazierganges an. Zudem sollten Umgangsformen, welche für den Hund unverständlich sind, vermieden werden. Zu Gewalt zählt nicht nur die  physische Gewalt wie körperliche Eingriffe. Genauso bedeutend ist auch die psychische Gewalt, wie der Druck, den der Hund durch das erzwungene Einüben von Kommandos und Gehorsamkeit erfährt." Die Trainerin bevorzugt die Arbeit mit positiver Verstärkung, also das Training mit Belohnung und Bestätigung. Durch positive Zuneigung, wie Loben, streicheln, Leckerlies oder einfach nur das miteinander spielen. Aber auch gemeinsame, schöne Erlebnisse können eine positive Verstärkung sein. Alles gewaltfrei eben.

Dena Rau

Für "Charly" beginnt das Training anfangs noch im Tierheim und gemeinsam mit Dena Rau. Die Familie lernt genauer auf die Körpersprache des Hundes zu achten. So fällt auf, dass "Charly" in Problemsituationen häufig Beschwichtigungssignale, wie zum Beispiel Kopfabwenden oder Züngeln, zeigt. Die Hundeführer lernen, gemeinsam herauszufinden auf welche Distanz zu Radfahrern, Artgenossen und anderen "Hindernissen" "Charly" sich noch wohl fühlt. Wird diese Distanz unterschritten, gerät "Charly" in Aufregung/Stress und unter diesen Bedingungen ist lernen nicht möglich. Gleichzeitig wird ein Alternativverhalten aufgebaut. Dies besteht darin, dass er seinen Blick abwendet und zu seinen Besitzern schaut, statt das Objekt seiner Begierde zu fixieren, wenn er zum Beispiel einen Radfahrer entdeckt hat. Als Bestätigung dafür, dass er die gewünschte Reaktion zeigt, bekommt er ein Leckerlie. Am Anfang muss die Familie "Charly" noch zu diesem Verhalten locken. Nach einiger Zeit beginnt er es von selbst zu zeigen, genau wie es gedacht war. Nun wo dieses Alternativverhalten gefestigt ist, kann langsam damit begonnen werden, Stück für Stück die Distanz zu verringern. 

Nach und nach übt die Familie immer mehr Situationen in wechselnder Umgebung zu meistern, denn "Charly" lernt ein Alternativverhalten kennen. Also etwas, das er anstelle des alten, unerwünschten Verhaltens tun kann. Knapp ein Jahr später kann er problemlos an Radfahrern und Joggern vorbeigehen. Es geht Schritt für Schritt vorwärts. Zwischen Mensch und Tier entwickelt sich mit der Zeit eine immer stärkere Bindung.

Aber was macht eine gute Beziehung zwischen Hund und Mensch eigentlich aus? Hierzu erklärt Dena Rau: "Eine gute Beziehung zeichnet sich vor allem durch gegenseitiges Verständnis aus. Der Mensch muss sich auf den Hund einlassen." Die Beziehung besteht also aus gegenseitigem Vertrauen und Rücksichtnahme.

Mit "Ace", der seit Welpenalter in der Familie lebt, ist das Vertrauensverhältnis zum Menschen kein Problem. Teilweise bietet dieser recht souveräne Hund "Charly" Sicherheit, was die Beziehung der beiden Hunde nach einiger Zeit deutlich verstärkt. Sie liegen oft dicht an dicht und entspannen sich nach einem anstrengenden Spaziergang.

Und den Rest bekommt die Familie gemeinsam mit Dena Rau auch noch hin.

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