Meinung
Mit der Landwirtschaft in einem Boot
Mit der Landwirtschaft in einem Boot
Setzt man sich einmal aufs Fahrrad und fährt eine gewisse Zeit in eine beliebige Richtung, wird man in Friesland mit hoher Wahrscheinlichkeit an Windrädern, blühenden Feldern und grasenden Kühen vorbeikommen. Eine scheinbar ganz selbstverständliche Symbiose zwischen Landwirtschaft und Natur, die aus dem friesischen Kulturbild nicht mehr wegzudenken ist.
Schlägt man dagegen die Zeitungen auf oder scrollt durch die Kommentarspalten bei Facebook, entsteht der Eindruck, Landwirte und Umweltaktivisten könnten sich kaum verfeindeter gegenüber stehen. Was also tun, um einen konstruktiven Diskurs zwischen Landwirtschaft und Umweltpolitik zu gestalten?
Wir alle sind abhängig vom Klima
Um das zu klären, lohnt sich zunächst ein Blick auf die jeweiligen Ziele. Sind diese tatsächlich so unterschiedlich oder gibt es vielleicht doch einen gemeinsamen Nenner, auf dessen Grundlage eine Verständigung möglich ist?
Auf der einen Seite haben wir die Klimaschützer, die in immer größerer Zahl, von Schülern bis hin zu Wissenschaftlern, gegen den Klimawandel ankämpfen wollen. Berechtigterweise fordern sie einen größeren Einsatz der Politik, um gegen den menschengemachten Teil der globalen Erderwärmung anzugehen, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, und auch im Privaten einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. All diese Forderungen können gar nicht oft genug wiederholt, die Dringlichkeit nicht oft genug betont werden. Das Ziel muss sein, die globale Erderwärmung auf einen Anstieg von 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Schaffen wir es nicht dieses Ziel einzuhalten, bestehen kaum Zweifel daran, dass neben den ohnehin schon nicht mehr veränderbaren Auswirkungen durch den Klimawandel, ein kaum überschaubares Risiko für Mensch und Natur entstehen wird. Insbesondere für unsere Küstenregion werden langfristige Gefahren entstehen, die von drohenden Überflutungen, verursacht durch den Anstieg der Meeresspiegel, bis hin zu Extremwetterbedingungen reichen werden. Um diese Gefahren aufzuzeigen, braucht es keine dramatisierende Rhetorik, sondern lediglich einen Blick in die Wissenschaft.
Das Klima bestimmt den landwirtschaftlichen Ertrag
Auf der anderen Seite steht nun also die Landwirtschaft, die gerne für vieles verantwortlich gemacht wird, und ihrerseits nur wenig Anerkennung für ihre Leistung und Stellung in der Nahrungsmittelversorgung erhält. Dabei ist ein Flächenland wie Niedersachsen, das bei vielen landwirtschaftlichen Erzeugnissen deutschlandweiter Spitzenreiter ist, ohne die Landwirtschaft genauso unvorstellbar, wie ein wirksamer Klimaschutz, ohne die Landwirte daran zu beteiligen. In Niedersachsen bewirtschaftet die Landwirtschaft etwa 2,6 Millionen Hektar der Landfläche und erzeugt dabei einen Produktionswert von 12,6 Milliarden Euro. Aus ökologischer und ökonomischer Sicht, ist die Landwirtschaft daher von enormer Bedeutung und der Schlüssel für eine wirksame Umweltpolitik. Verinnerlicht man sich diese Bedeutung, wird vielleicht klarer, warum Klima-Aktivismus nicht auf die Landwirte verzichten kann. Ein gemeinsamer Nenner ist dabei simpel wie naheliegend: Die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels. Kaum ein anderer wirtschaftlicher Zweig dürfte von klimatischen Bedingungen abhängiger sein als die Landwirtschaft. Bereits geringe Abweichungen von herkömmlichen Wetterverhältnissen wirken sich auf die jährlichen Ernteerträge aus.
Für das gemeinsame Ziel braucht es Dialog und gegenseitiges Verständnis
Kaum vorstellbar dürften da die Auswirkungen sein, welche die Folgen einer globalen Erderwärmung mit sich bringen würden. Effektiver Klimaschutz bedeutet daher nicht zuletzt auch Schutz der Landwirtschaft. Wollen wir also in den kommenden Jahren ernsthaft über Klimaschutzmaßnahmen diskutieren, müssen alle betroffenen Gruppen in angemessener Weise am Dialog beteiligt werden. Scheinen Herangehensweise und Forderungen auf den ersten Blick vielleicht völlig unterschiedlich, verbindet das gemeinsame Ziel Klimaaktivisten und Landwirte eben doch mehr als man glauben mag. Ein erster Schritt zur Verständigung wird dabei im gegenseitigen Verständnis von Klimaschützern und Landwirten liegen müssen. Die Landwirtschaft trägt zweifelsohne Verantwortung für einen effizienten Klimaschutz. Ihr jedoch in übertriebener Weise für alles die Schuld zuzuweisen und sich dabei kaum mit den Anforderungen, vor denen Landwirte stehen, beschäftigt zu haben, ist hingegen respektlos und in keinster Weise zielführend.
Nur wenn Klimaschutz und Landwirtschaft nach gemeinsamen Lösungen suchen, wird uns der Klimaschutz in Niedersachsen gelingen. Und vielleicht sind bei den nächsten Demozügen der Landwirte auch die ein oder anderen Klimaaktivisten an Bord. Die lange Fahrzeit lässt sich sicherlich für einige angeregte Gespräche nutzen.